Elf Prozent

Was bliebe übrig, wenn man sich selbst einmal — in einem unbekümmert freien Moment der Klarheit vielleicht — als Individuum zurück nehmen würde und die Dinge in ihrer Gesamtheit betrachtet? Ganz ohne Tagesschau.

Eine Zäsur.

Wir in Deutschland gehören zu den elf Prozent dieses Planeten, denen die Zeit davon läuft. Denen das Fundament ihrer Existenz gerade wie Sand zwischen den Fingern zerrinnt, der aus dem zerbrochenen Glas einer Sage vom ewigen Glück anhand einer Geburt am rechten Ort entweicht, als wäre es eine Befreiung.

Obwohl ich betonen möchte, dass die meisten Menschen dieser elf Prozent nie wirklich etwas davon hatten. Den Rahm schöpften immer nur ein paar Wenige ab. Hunderte Jahre lang. Die meisten von uns durften in guten Zeiten nur nach dem Hering schnappen, der unter der trüben Funzel oberhalb des Küchentischs hin und her baumelte, als wäre es die Möhre, hinter der man den lahmen Esel den lieben langen Tag auf dem Acker durch die Furche treibt. Obwohl man ahnt, nichts ergibt mehr einen Sinn. Das eigene Streben nach Wohlstand und schon gar nicht die Hoffnung auf ein besseres Leben für die Nachkommenden.

Zum vielleicht ersten Mal seit langer Zeit vermögen bald alle Länder und Fraktionen des muslimischen Glaubens, sich an ihre Gemeinsamkeit zu erinnern. An das Versprechen, was wir Ihnen seit Bestehen ihres Glaubens immer und immer wieder gestohlen haben. Neben dem vielen Öl und dem Wasser. So wie manche von uns glaubten, ihren Willen gebrochen zu haben. Wer sich über tote Kinder in Gaza lustig macht, sollte schweigen.

Man sollte immer vorsichtig darin sein, inwieweit man anderen Menschen das Menschsein absprechen mag. Das hatten wir schon ein paar Mal. Ging nicht gut aus.

Der »Rest« der 89 Prozent sieht nun zum wiederholten Male innerhalb zweier Jahre, wie der Westen nach doppelten Standards bigotte Dinge betreibt, seine eigenen Verbündeten bei allen Beteuerungen in die physische Vernichtung zwingt und obendrein immer noch so tut, als wäre seine Sicht der Dinge von göttlicher Kraft und demokratischer Klarheit, dass es vor Menschlichkeit nur so kracht.

Abseits von jeder Moral, die in der Politik, so sie einen Sinn ergeben soll, nichts zu suchen hat: es geht nicht um den dritten Tempel oder gar um den Messias. Es dreht sich, wie immer im Westen, nur um das Goldene Kalb.

Menschen, wir im Westen inbegriffen, sind da nicht von Belang.

Und selbst, wenn im Osten des Mittelmeeres oder in der Ostsee vor Sankt Petersburg so viele Flugzeugträger parken sollten, dass man über das Meer laufen kann, ohne nasse Sandalen riskieren zu müssen wie ein neuer Prophet: es bringt nur Leid.

Keine Erlösung.

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