»Es gibt solche, die sagen, sie seien zum Wohle der Menschheit […] Staatsdiener geworden; aber in den meisten Fällen ist es nicht wahr. Wenn nicht der innere Beruf sie dahin gezogen hat, so verbergen sie durch ihre Aussage nur einen schlechteren Grund, nämlich dass sie den Stand als ein Mittel betrachteten, sich Geld und Gut und Lebensunterhalt zu erwerben. Oft sind sie auch ohne weiter über eine Wahl mit sich zu Rate zu gehen in den Stand geraten oder durch Umstände in ihn gestoßen worden, und nehmen das Wohl der Menschheit in den Mund, das sie bezweckt hätten, um nicht ihre Schwäche zu gestehen. 

Dann ist noch eine eigene Gattung, welche immer von dem öffentlichen Wohle spricht. Das sind die, welche mit ihren eigenen Angelegenheiten in Unordnung sind. Sie geraten stets in Nöten, haben stets Ärger und Unannehmlichkeiten, und zwar aus ihrem eigenen Leichtsinne; und da liegt es ihnen als Ausweg neben der Hand, den öffentlichen Zuständen ihre Lage schuld zu geben, und zu sagen, sie wären eigentlich recht auf das Vaterland bedacht, und sie würden alles am besten in demselben einrichten. 

Adalbert Stifter, »Der Nachsommer«, Band I (1857)

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